mit netz
"Es gibt Leute", sagte die Kollegin bei Arbeit 3 mit zusammengekniffenen Augen, "die schreiben alles mögliche in so ein Internettagebuch." Wir redeten über den neuen facebook-Film im Kino und ich empfahl das Buch von Alex Rühle "Ohne Netz". Bringt einem zum Nachdenken über die eigenen seltsamen Online-Gewohnheiten, sagte ich. So richtig ins Grübeln kam ich allerdings erst nach besagter Bemerkung. "Die schreiben da alles mögliche über ihre Kinder rein,", referierte die Kollegin nämlich weiter, "arme Irre. Interessiert doch kein Schwein. Und diese Zeitverschwendung`"
Ich hörte zu, schwieg über meine geheimen Aktivitäten als Chamäleon und kam mir sehr seltsam vor. Als wäre ich bei etwas Verpöntem ertappt worden: heimlich ein Fan von Dieter Bohlen zu sein, nicht lesen zu können, regelmässig mit den Kindern zu McDingsbums zu gehen. "Hm", sagte ich und überlegte sofort selbstkritisch, wozu ich eigentlich so ein ein schreiberisches Doppelleben führe. In einem anonymen Internettagebuch über den Wolf und den Bären reflektiere, über Ernst jammere und meine Befindlichkeit dokumentiere. Es war mir ein bisschen peinlich, ehrlich gesagt.
Aber ich fand einen Grund. Es ist, dachte ich mir, als ob ich mit der Gastronomin zu Ikea fahren würde: pure Psychohygiene. Wenn man Mutter oder Vater wird und atemlos lernt, sich in mehreren unterschiedlichen Welten mehr oder weniger gewandt zu bewegen, findet man anfangs immer mal wieder Zuhörer. Als der süsse kleine Bär krabbelte, als der kleine Wolf allerliebst sein erstes Wort sagte, wie ich Windeln wechselte und übernächtigt bei Arbeit 2 meine Position verteidigte - man befindet sich in einer Art Pionierstatus und darf darüber reden.
Aber seit sich der Bär für Filme und Games interessiert statt die Erdzeitalter und sämtliche Dinosaurierarten aufzuzählen und seltsame Teenagerwitze erzählt, will niemand mehr was darüber hören. Ich nenne es den Fünftklässlerschock. Man kriegt Pickel, wird linkisch und entwickelt ein feines Gespür dafür, wer sich wirklich noch für einen interessiert. Der Wolf hat noch eine kleine Gnadenfrist.
Ich nicht mehr. Ich bin gefangen in einem paradoxen Zustand: der Wolf und der Bär sind zweifellos auch noch als bärtige 40jährige Fixsterne in meinem kleinen Universum. Das sollte man sich ab der fünften Klasse aber nicht mehr anmerken lassen: es wird von einem erwartet, dass man sich wieder anderen Dingen zuwendet, nochmals durchstartet, sich endlich weiterbildet, das Leben geniesst, jetzt wo sie aus dem Gröbsten raus sind. Ich finde höchstens dieses Ansinnen grob, weil ich heimlich denke: das geht niemand was an, in welcher Form und mit welchem Bildungsstand ich mein Leben geniesse. Aber ich hüte mich, zuviel von Wolf und Bär zu erzählen, wo auch immer. Ein müdes Lächeln ist die häufigste Reaktion. Und auch die Stories aus dem chaotischen Alltag und erst recht das Gejammer über Ernst - es reicht, kann man die Zuhörer gequält denken hören.
Also schreibe ich arme Irre alles in so ein Internettagebuch. Diese Zeitverschwendung!
Ich hörte zu, schwieg über meine geheimen Aktivitäten als Chamäleon und kam mir sehr seltsam vor. Als wäre ich bei etwas Verpöntem ertappt worden: heimlich ein Fan von Dieter Bohlen zu sein, nicht lesen zu können, regelmässig mit den Kindern zu McDingsbums zu gehen. "Hm", sagte ich und überlegte sofort selbstkritisch, wozu ich eigentlich so ein ein schreiberisches Doppelleben führe. In einem anonymen Internettagebuch über den Wolf und den Bären reflektiere, über Ernst jammere und meine Befindlichkeit dokumentiere. Es war mir ein bisschen peinlich, ehrlich gesagt.
Aber ich fand einen Grund. Es ist, dachte ich mir, als ob ich mit der Gastronomin zu Ikea fahren würde: pure Psychohygiene. Wenn man Mutter oder Vater wird und atemlos lernt, sich in mehreren unterschiedlichen Welten mehr oder weniger gewandt zu bewegen, findet man anfangs immer mal wieder Zuhörer. Als der süsse kleine Bär krabbelte, als der kleine Wolf allerliebst sein erstes Wort sagte, wie ich Windeln wechselte und übernächtigt bei Arbeit 2 meine Position verteidigte - man befindet sich in einer Art Pionierstatus und darf darüber reden.
Aber seit sich der Bär für Filme und Games interessiert statt die Erdzeitalter und sämtliche Dinosaurierarten aufzuzählen und seltsame Teenagerwitze erzählt, will niemand mehr was darüber hören. Ich nenne es den Fünftklässlerschock. Man kriegt Pickel, wird linkisch und entwickelt ein feines Gespür dafür, wer sich wirklich noch für einen interessiert. Der Wolf hat noch eine kleine Gnadenfrist.
Ich nicht mehr. Ich bin gefangen in einem paradoxen Zustand: der Wolf und der Bär sind zweifellos auch noch als bärtige 40jährige Fixsterne in meinem kleinen Universum. Das sollte man sich ab der fünften Klasse aber nicht mehr anmerken lassen: es wird von einem erwartet, dass man sich wieder anderen Dingen zuwendet, nochmals durchstartet, sich endlich weiterbildet, das Leben geniesst, jetzt wo sie aus dem Gröbsten raus sind. Ich finde höchstens dieses Ansinnen grob, weil ich heimlich denke: das geht niemand was an, in welcher Form und mit welchem Bildungsstand ich mein Leben geniesse. Aber ich hüte mich, zuviel von Wolf und Bär zu erzählen, wo auch immer. Ein müdes Lächeln ist die häufigste Reaktion. Und auch die Stories aus dem chaotischen Alltag und erst recht das Gejammer über Ernst - es reicht, kann man die Zuhörer gequält denken hören.
Also schreibe ich arme Irre alles in so ein Internettagebuch. Diese Zeitverschwendung!
chamäleon123 - 16. Okt, 10:04