Man hat ja ständig Bilder im Kopf, je nach Bedarf in nostalgischem Sepia, sanften Pastelltönen oder aber fröhlich bunt. Man sucht zum Beispiel, endlich, ein neues Sofa aus und sieht sich (Pastell), mit Wolf und Bär und Liebstem darauf fläzend, sich in Harmonie ein bisschen aneinander kuschelnd, fröhlich witzelnd einen Film schauen zusammen. Oder man hilft jemandem beim Umziehen, und stellt sich vor (fröhlich bunt), wie alle Helfer im Anschluss zusammen Spaghetti essen - eine Oase der Harmonie inmitten von Zügelkisten. Oder man kauft Weihnachtsgeschenke ein für Wolf und Bär, stellt sich vor, wie sie sich freuen werden und erinnert sich (Sepia) an die Weihnachten der eigenen Kindheit mit fiebriger Vorfreude auf das Christkind.
Natürlich ist dann alles ganz anders. Der Liebste uns ich werden uns garantiert streiten, wenn das Sofa geliefert wird und nicht so aussieht, wie im Laden und in unseren Köpfen. Und der Film? Der Bär will endlich Herr der Ringe sehen und der Wolf darf noch nicht und fühlt sich deswegen unwohl, sie werden einander wüste Namen geben, ich werde einen Grossteil meiner Erziehungsgrundsätze in Frage stellen und der Liebste wird entnervt die Augen verdrehen. Beim Umzug gibt es schon während der Kistenschlepperei Streit, weil alle müde und genervt sind, man verschwindet, ohne sich zu verabschieden und die Spaghetti verkochen ungekocht. Die Weihnachtsgeschenke schliesslich – wann ist man je sicher, ob die Freude wirklich echt ist oder die Kinder zu verwöhnt? Und etwas bange schaut man dem Fest entgegen, weil man weiss: das Konfliktpotential unter dem Christbaum ist ungleich grösser als beim Zügeln.
Am besten bleibt man deshalb sachlich, übt sich in mitfühlendem Schweigen und ersetzt die tückischen Bilder im Kopf durch harmonisches Schneegestöber.
chamäleon123 - 20. Dez, 11:57
Gestern gelernt: Wenn zwei sich streiten, soll die Dritte einfach nur die Schnauze halten.
chamäleon123 - 20. Dez, 11:22
"Hat der Nachbar jetzt auch Gift gegen den Schnee?" fragt der kleine Wolf entgeistert, als er den frühmorgens schon blankgefegten Hausplatz nebenan inmitten einer wunderbar weissbeschneiten Winterlandschaft bemerkt.
chamäleon123 - 16. Dez, 09:43
"Schon während des Redens merkte ich, wie mich das Reden peinlich machte."
Wilhelm Genazino: Mittelmässiges Heimweh
chamäleon123 - 8. Dez, 22:15
Eines meiner Lieblingsthemen, nämlich die scheinbare Unerreichbarkeit eines vernünftigen Gleichgewichtes zwischen Berufsfrau und Mutter, diese grosse Frage zunehmend widerwillig teilzeitberufstätiger Mütter haben wir wochenends im im Dreiergremium diskutiert. Zwecks Erholung von unserem teilzeitberufstätigen Mutteralltag begaben wir uns in ein teures Szene-Restaurant, stocherten in unserem teuren Menu herum, nippten am kostbaren Wein und fragten uns melancholisch, was wir alles falsch machen. Wir fragen uns das jedesmal, wenn wir uns treffen und anstatt uns darüber zu freuen, dass unsere insgesamt 7 Kinder allesamt wohlgeraten und wir selbst im Grossen und Ganzen nicht unglücklich sind, überboten wir uns mit Alltagsbonmots, die unsere gleichzeitige Über- und Unterforderung illustrieren sollten. Beim Dessert mussten wir an uns halten, um über all die verpassten Gelegenheiten, unseren Alltag endlich ordnungsgemäss zu balancieren nicht ins Panna Cotta zu heulen und vor lauter Misere gingen wir nach dem Essen nicht tanzen, sondern schnurstracks nach Hause, um noch ein wenig vor dem Fernseher abzuhängen. Trotzdem versicherten wir uns beim Abschied, wie schön es gewesen sei. Wie nötig der Austausch. Und vereinbarten regelmässige Treffen. Allerdings nicht im Szenelokal, denn als wir die Rechnung erhielten erkannten wir, dass wir alle drei unser Teilzeitpensum erheblich aufstocken müssten um weiterhin in trendigen Restaurants jammern zu können.
Vielleicht, dachten wir beschämt, sollten wir uns lieber freuen - mit M-Budget-Salzbrezeln und - meinetwegen - Prosecco.
chamäleon123 - 7. Dez, 09:14
chamäleon123 - 1. Dez, 11:43
Wenn man auf der DVD-Hülle liest Untertitel für Hirngeschädigte statt Untertitel für Hörgeschädigte und tatsächlich interessiert darüber nachdenkt, wie wohl diese Untertitel aussehen, sollte man sich vielleicht mal etwas entspannen.
chamäleon123 - 1. Dez, 10:54
Der Bär hat Geburtstag, artig packt er sein Geschenk aus, freut sich mit einem milden Lächeln, sagt danke - und widmet sich dann wieder seinem Manga. Er macht das immer so, aber ehrlich: er freut sich wirklich. Er kanns bloss nicht zeigen. Ich weiss das, wir alle sollten das jetzt so langsam über ihn wissen, aber insgeheim erwartet man doch immer sprachlose, überschwängliche, atemlose Freude samt ebensolcher Dankesbekundungen. "Kind", sprach ich also die zeremonielle Formel der darob etwas beleidigten Schenkenden, "Du darfst das Geschenk auch umtauschen, wenn es Dir nicht gefällt." Der Bär liest weiter, er hat das Manga zum Geburtstag geschenkt bekommen und freut sich gespannt lesend daran. Leise brummt er, nein, das Geschenk sei toll, er freue sich, wirklich sehr.
"Oder hättest Du vielleicht lieber eine andere Farbe? Ein anderes Modell? Ein..." bohre ich weiter, mitterweile überzeugt, ihm etwas völlig Unerwünschtes geschenkt zu haben.
"Hm?", unterbricht mich das sehr grosse Kind schliesslich und schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, "Ich. Freue. Mich. Aber du denkst einfach immer so...zuviel."
chamäleon123 - 1. Dez, 09:08
...würde ich noch vor Weihnachten ein Minarett in unserem Garten errichten lassen. Mit einer goldenen Sichel drauf. Einfach aus Prinzip.
chamäleon123 - 29. Nov, 23:04
Am liebsten, ich gestehe es, würde ich vor lauter Novemberfaulheit jetzt fast nichts anderes tun als auf dem alten unbequemen Sofa zu liegen und zu lesen. Vorher würde ich noch viele Kerzen anzünden und Tee kochen. Geht ja nicht, ichweissichweiss.
Also gehe ich stattdessen wieder zur Schule. Jedenfalls so gut wie, denn wir lernen ziemlich viel Interessantes und dazwischen absolut unbegreiflich Doofes, haben Hausaufgaben und fluchen über die Lehrkräfte. Auch sonst ist es erstaunlicherweise wieder ziemlich genau so, wie es in der richtigen Schule war, irgendwann in der Oberstufe jedenfalls. Die Klasse: ein strebsamer Haufen. Frau Chamäleon: eigenbrödlerisch vor sich hin lernend, die Aufgaben verschlampend, gruppendynamische Aktivitäten verweigernd.
Die guten Seiten, vom interessanten Teil des Unterrichtsstoffes mal abgesehen: es dauert nicht jahrelang. Und mein Verständnis für des Bärchens vererbte
Prokrastination ist in den letzten Wochen überproportional gewachsen.
Jetzt muss ich aber Aufgaben machen.
Falls ich, ähm, alle Unterlagen finde...
chamäleon123 - 26. Nov, 10:31
Jaja, die Schweinegrippe, da kommen auch wir nicht drumrum. Jetzt gerade liegt die Lehrkraft des Wölfchens darnieder, die Hälfte der Klasse hängt im Wartezimmer des Kinderarztes herum und wartet auf das Testresultat und der Bär gibt sich redlich Mühe, anständige Symptome hinzukriegen. Er hustet angestrengt, wenn er daran denkt und torkelt mit einem saft- und kraftlosen Gesichtsausdruck herum, vor allem frühmorgens - immerhin besteht da eine klitzekleine Chance, dass ich mich erbarme und ihm den Schulbesuch streng untersage. Er würde hauchen "Ach, es geht schon..", wohl wissend, dass eine zu schnelle Flucht zurück ins Bett verdächtig wirken würde - bei 35,4 Grad Körpertemperatur. Leider lassen sich die unerbittlich digital piepsenden Fieberthermometer auch nicht mehr so gut manipulieren wie die guten alten Quecksilbermessstäbe zu meiner Zeit.
Es hilft nichts, der Bär zottelte auch heute zur Schule. Verärgert brummend. Den Husten hatte er wieder vergessen.
chamäleon123 - 18. Nov, 07:54