Also sprach, man möchte es
Mme Linkskurve beipflichtend zurufen, der Berliner Nachtclubkönig und Playboy Rolf Eden (77) im
Stern . Und man muss ihm unwillkürlich - und nicht ohne auf der Stelle sehr zähneknirschend in angestrengtes Nachdenken zu geraten - beipflichten. Wo er recht hat, hat er recht, irgendwie:
"Ich bin der größte Fan von Alice Schwarzer und der Emanzipation. Diese Frau hat uns Männer gerettet. Seitdem müssen wir die Frauen nicht mehr ernähren, sie arbeiten für ihr Geld, wohnen alleine, sie erziehen ihre Kinder. Der Feminismus ist nur für die Männer gemacht!"
chamäleon123 - 18. Nov, 17:35
Das tröstet, irgendwie.
chamäleon123 - 12. Nov, 21:16
Gratis und franko habe ich ein neues Handy bekommen, ohne Abo und Klingeltondauerauftrag. Mein altes Telefonino, beschied man mir, sei altmodisch und so was von out. Nicht, dass ich mich nicht gefreut hätte, ehrlich. Denn tatsächlich präsentierte sich das Second-Hand-Neue nicht nur in einem megavielcooleren Outfit, sondern auf den ersten Blick auch leistungsfähiger und effizienter. Ich würde damit nicht nur telefonieren können, sogar viel schneller als vorher, sondern auch Radiohören, Musik draufloaden und möglicherweise sogar im Internet rumsufen. So geil.
Ich machte mich also mit Feuereifer daran, das Neue mit den alten Adressdaten zu pimpen und erste Erfolgsgefühle durchrauschten meine Adern, als ich dem Liebsten das erste SMS schicken konnte. Nur: in den folgenden Tagen zuckte ich nicht nur jedesmal dramatisch zusammen, als sich das trendige Handy mit dem ungewohnten Klingelton "Thriller" meldete. Ich suchte auch hektisch nach dem richtigen Schalter für den Anrufempfang und war unsicher, welches der 79087 Mikrofonöffnungen ich nun ans Ohr und welches vor die Sprechanlage an meinem Kopf halten sollte.
Schon am dritten Tag kapitulierte ich und klaubte heimlich die SIM-Karte aus dem Trendigen raus und ins Uncoole wieder rein. Der Wechsel schien mir - so kurz nach dem grässlichen Gespräch mit dem Chef - plötzlich allzu sinnbildlich und eine warme Welle der Solidarität mit dem zuverlässigen, aber altmodischen Gerät überflutete mich: "Ich bin wie Du", flüsterte ich ihm zu und steckte es trotzig wieder in meine Tasche. Dem Coolen auf dem Tisch warfen wir einen verächtlichen Blick zu, bevor wir den Raum verliessen - um endlich in Ruhe zu telefonieren.
chamäleon123 - 12. Nov, 20:37
Kerzen brennen, es ist Abend, gemütlich, am Radio rockt Chuck Berry.
Bär: "Ist das Elvis?"
Chamäleon: "Nein, Chuck Berry. Aber die Musik ist dieselbe:
Rock`n`Roll.
Bär: "Wer hat das eigentlich erfunden?"
Chamäleon: (angestrengt nachdenkend): "Äh, die Schwarzen
und Elvis war einer der ersten Weissen, der mit
dem Rock`n`Roll berühmt wurde."
Bär: "Da sieht man wieder, dass die schwarzen Leute
viel besser zivilisiert sind als wir, wenn die solche
Musik erfinden können."
chamäleon123 - 10. Nov, 22:30
Das Heizöl ist bestellt und es ist dermassen sauteuer, dass ich einen weiteren Tag dafür aufwenden musste, intensiv über energiesparende Massnahmen nachzudenken. Isolierband und Abdichtschaum reichen nicht - das wurde mir klar, als ich schweissgebadet aus einem Traum erwachte, in dem Wolf und Bär samt dem Liebsten und mir zitternd um ein Feuerchen in unserem Garten standen und zu den Eisblumen an den Fenstern unseres Hauses starrten...Im Feuer, das sei nicht verschwiegen, loderte neben unserem Esstisch aus dem Brockenhaus und den Bodendielen aus hundertjähriger Esche auch der antike tannene Schrank, den wir zu unserer Hochzeit geschenkt bekamen.
Eine Möglichkeit zu einem ungeahnten Wärmekick ohne den kostenintensiven Einsatz teurer oder wertvoller Brennstoffe, so fand ich aber überraschend schnell heraus, bietet sich regelmässig bereits beim Sichten der zu bezahlenden Rechnungen: Zahnarzt: 700.-, Steuern: 1100.-, Krankenkasse: 600.-. Ganz zu schweigen von den Hypothekarzinsen und der Bibliotheksrechnung für die verlorene Globi-Kassette (30.-). Das Leben, seufzen der Liebste und ich dann melancholisch, wird immer teurer. Leider sehen das unsere Chefs nicht ganz so, weshalb ich beispielsweise seit mehreren Jahren keine Spur von Teuerungsausgleich erhalte. Auch ein Grund für Hitzewallungen, wodurch wir so gesehen wiederum Heizenergie sparen und dies ergo als indirekte Lohnerhöhung verbuchen müssten. Eine These, die sich als wirtschaftsfördernde Massnahme für den nächsten Wahlkampf der FDP geradezu anbieten dürfte.
Jedenfalls: Wen es stärker fröstelt, der darf in der Chamäleon GmbH ab sofort die Rechnungen bezahlen. Denn beim Anblick des Kontostandes nach Abzug der Fixkosten bricht einem garantiert der Schweiss aus.
chamäleon123 - 10. Nov, 10:48
Ich will ja Herrn Köppel nicht auch noch den Gefallen tun, und mich über sein Blatt aufregen. Aber wenn ich
solches lese, frage ich mich doch, sehr stirnrunzelnd : kann es tatsächlich so banal einfach sein, scheinbar Verpöntes wieder salonfähig zu machen?
chamäleon123 - 6. Nov, 13:32
Die Tücken des Alltags sind ja so schon mannigfaltig und unerschöpflich: Herdplatten geben ihren Geist auf, die Kaffeemaschine blinkt nach sofortigem Entkalkungs-Service oder einzelne Handschuhe verschwinden im denselben geheimnisvollen Schwarzen Loch in Raum und Zeit wie die einzelnen Socken.
Und jetzt auch noch die Heizöl-Bestellung.
Als der Liebste und ich den Kaufvertrag für unser wunderbares, aber altes und schlecht isoliertes Häuschen unterzeichneten, stiegen vor unserem geistigen Auge nicht nur - schillernden Gedankenblasen gleich - Vorstellungen von glücklich spielenden Kindern im eigenen Garten auf. Unser Haus, so malten wir es uns in satten Grün-Tönen aus, würde alsbald auch über eine Solaranlage auf dem Dach zwecks Warmwasseraufheizung verfügen, über eine wunderbare Energiebilanz und natürlich würden wir die alte, brummende Ölheizung im Handumdrehen durch eine ökologisch sinnvolle Wärmelösung ersetzen.
Ein weiteres Kapitel im Buch der Illusionen (siehe auch: Kapitel 1: Vereinbarkeit von Familie & Beruf). Ich suchte nach Offerten, der Liebste rechnete - und der Fall war klar: Ökologie ist was für Besserbetuchte, als wir es sind. Natürlich hätten wir das auch vor dem Hauskauf ausrechnen können - aber allzuviel Realismus ist einer optimistischen Zukunftsplanung durchaus abträglich.
So blieb die miese Isolation, die Solaranlage leisten wir uns zur Pensionierung und ich muss also Jahr für Jahr zähneknirschend Öl bestellen.
Dabei kann ich - oh Segnungen des Kapitalismus - nicht nur zwischen 721364876 Anbietern und ihrer individuellen Preisgestaltung wählen, sondern darf auch die minütlichen Schwankungen des Börsenkurses gespannt verfolgen: die Heizölbestellung wird zu einem wahrhaft haarsträubenden Glücksspiel. Damit nicht genug: schon haben findige Anbieter Produkte entwickelt wie "Wärmesicherheit 3000", mit denen man die Kosten fixieren können soll.
Lieder hilft hier nicht einmal Comparis. Die Heizöl-Bestellung wird also zum Tagesjob im Alltags-Sekretariat: Offerten anfordern, Preise vergleichen, Börsenkurse verfolgen, im richtigen Moment zuschlagen. Arbeit 2 muss warten und auch Putzen oder Kochen liegen an solchen Tagen nicht drin. Wolf und Bär verpflegen sich zähneklappernd aus dem Kühlschrank. Leider ist der ebenso leer, wie der Öltank. Ich muss wohl die Ölbestellung ebenfalls outsourcen.
chamäleon123 - 6. Nov, 08:18
(..)
Zum Werke, das wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Reden sie begleiten,
Dann fließt die Arbeit munter fort.
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
Was durch die schwache Kraft entspringt,
Den schlechten Mann muß man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ist's ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Herzen spüret,
Was er erschafft mit seiner Hand.
(..)
Schiller: Das Lied von der Glocke
chamäleon123 - 31. Okt, 20:52
"Schreiben ist für Streber."
Homer Simpson

chamäleon123 - 31. Okt, 11:34
Was sie sagte:
"....wir möchten Dich gerne davon entlasten. Wann kannst Du denn das frühestens erledigen?"
Was sie meinte:
"...wir sind blockiert in unserer Arbeit, solange Du Dein Ressort nicht ordentlich abschliesst. Könntest Du endlich das verdammte Dossier abliefern? Heute noch?"
Was ich lerne:
Ich werde nie mehr ehrenamtlich arbeiten.
chamäleon123 - 30. Okt, 14:00
Seit der Lektüre einer speziellen Kolumne von Gisela Widmer - es ist bereits Jahre her - getraue ich mich nicht mehr so richtig, öffentlich zu schlafen. Zum Beispiel im Zug, an die Schulter des Liebsten gelehnt, in der sicheren Gewissheit, dass er mich am Zielbahnhof nicht sitzen lassen, sondern mit einem kernigen Scherzchen wecken wird. Der Text handelte nämlich von einem Menschen in meinem Alter, der nicht mehr bei seiner Freundin jüngeren Datums übernachten wollte, weil: er überlegte sich , wie er wohl schlafend aussähe.
Das tue ich seither auch. Schlafe ich mit offenem Mund, einen silbrig-glitzernden Speichelfaden auf dem Kinn? Schnarche ich leise, aber unüberhörbar? Murmle ich irre vor mich hin, ein schräges Lächeln auf den schlaffen Lippen? Entgleisen meine Gesichtszüge zu einer grusligen Maske, so dass sich jeder unwillkürlich ein bisschen für mich schämt, der mich da so selbstvergessen schlafen sieht?
Ich will es nicht wissen, eigentlich - auch wenn ich den Liebsten schon sehr häufig diskret ausgefragt habe. Er allerdings, als durch und durch rationaler Vertreter seiner Gattung, versteht den Sinn solcher Fragen nicht. Er denkt über solche Dinge nicht nach.
Ich schon, leider, und dunkle Momente - etwa während einer wahrscheinlich mehrstündigen Schärenfahrt in Stockholm, als ich unzählige Male debil einnickend das Kinn auf die Brust sinken liess und die spöttischen Blicke meiner Reisebegleiter beim Erwachen verschämt deutete - lassen mich zunehmend angestrengter über diese Frage nachdenken.
Sie hat ja durchaus philosophische Aspekte. Sind wir noch uns selbst, wenn wir uns sabbernd einem Power-Nap im Flugzeug hingeben? Oder verlässt uns ein Teil unseres Ichs in diesen Momenten? Vielleicht, weil es sich unser schämt?
Man weiss es nicht. Und bleibt tagsüber eben wach.
chamäleon123 - 29. Okt, 22:52
Outsourcen müsste man heutzutage auf jeden Fall:
- Putzen, aufräumen, Wäsche waschen sowieso
- einkaufen, kochen
- Kinderbetreuung, und die -erziehung am besten auch gleich
- Besuche bei Kranken, Angehörigen und/oder Freunden (oder zumindest auf ein effizientes, präzise auf die Sparte "Sozialkontakte" angepasstes Minimum reduzieren
- Telefongespräche, ausser geschäftliche
- Blogkommentare
- Spaziergänge, ausser denen für die körperliche Gesundheit und somit optimierte Leistungsfähigkeit unabdingbaren
- dasselbe gilt für sportliche Tätigkeiten und Sex
- Musikhören, ausser zum Arbeiten
- Lesen, ausgenommen das Auswendiglernen von Sachbüchern
- Schlafen, inkl. Träumen, auch tagsüber
- Reisen, mit Ausnahme von Geschäftsreisen
- denken, exklusive jener Gedankengänge, die unmittelbar zur Steigerung des Jahresumsatzes und somit zur Gewinnoptimierung beitragen
chamäleon123 - 29. Okt, 08:43
Erst gerade noch sass man in der Metro, versonnen einen jungen Asiaten beobachtend, der mitten im Feierabendgedränge lächelnd und mit geschlossenen Augen dasitzt, oder einen älteren Herrn mit einem sehr sehr langen Fingernagel am kleinen Finger oder einen jungen Mann mit einer himmelblauen Lederjacke, einen Gitarrenkasten auf dem Rücken und einem so erwartungsvollen Blitzen in den Augen, wie es nur junge Musiker an einem Freitagabend in Paris haben können, sehrwahrscheinlich auch in London oder Chicago, aber das wäre eine andere Geschichte.
Denn, eben erst sass man noch in einem zugigen Bistro und trank eine Margarita am heiterhellen Spätnachmittag, um den Ärger über das schräge, aber schäbige Hotel (ich habe gespart und ein billiges gewählt, selber schuld, wer gute Tipps nicht umgehend befolgt) mit einem flauschigen Mir-doch-egal-Gefühl zu umwolken, die Leute beobachtend und dem Liebsten zuhörend und antwortend, kichernd.
Und schon hockt man wieder mitten im Alltag, müde und sich erstaunt die Augen reibend. War es ein Traum? Der Wolf hat kein sauberes Pyjama mehr und der Bär merkt kaum, dass es nicht mehr Grossmami und Grosspapi sind, die ihn liebevoll umsorgen, sondern wieder die Eltern. Schaut er einmal von seinem Nintendo auf, hat sein Blick etwas sehr Entrücktes, ähnlich wie meiner, wenn sich das Fernweh durch die Gehirnwindungen drängt. Wir müssen das anpacken, später, aber jetzt ist eben wieder Alltag.
Und die Margaritas verkneif ich mir.
chamäleon123 - 28. Okt, 16:33