Freitag, 19. Juni 2009

amen

Ich war ein wenig befangen. Würde mich der berühmte Hohepriester mit einem Blick aus seinen dunklen, geheimnisvollen Augen weihen? Und würde ich das Richtige tun? Schliesslich war es lange her, seit ich das letzte Mal eine Kirche betreten hatte. Und die komplizierten Rituale – der demütige Kniefall im richtigen Moment, die gemurmelten Antworten auf den feierlichen Sermon des Priesters und die korrekten Handzeichen – die angestrengte Konzentration darauf hatte mich schon als Kind von der vorgeschriebenen Besinnung abgehalten. Trotzdem liess ich mich von einem Besuch nicht abhalten – ich meine: die Lage! Der Ort! Die Stadt! Die Adresse nämlich adelte den Tempel um ein Vielfaches: mitten am Pariser Prachtboulevard Champs-Elysées.

Mit einem ängstlichen Blick zu den beiden grimmigen Messdienern an der Türe betrat ich also den Tempel. Und erstarrte in Ehrfurcht. Die Erbauer hatten keinen Aufwand gescheut, der hier praktizierten Religion mit irdischer Pracht zu huldigen: an den Wänden edle Natursteinplatten, zweifellos aus den entferntesten Winkeln der Erde an diesen heiligen Ort gebracht, am Boden erlesenste Materialien. Kostbare Lampen hüllten den riesigen Raum in feierliches Licht, unzählige Messdienerinnen und -diener bewegten sich mit andächtiger Geschmeidigkeit in den grossen Hallen und stiegen lautlos die sanft geschwungenen Treppen auf und nieder.

Schüchtern und wie alle anderen Besucher den Blick züchtig gesenkt huschte ich durch den Raum, nickte hier und da und lächelte bescheiden. Die Priesterinnen hinter den zahlreichen Altären lächelten zwar ebenfalls. Aber ich wusste von früher: hinter dem Lächeln lauerte Strenge. Und diesmal wollte ich nichts falsch machen. Ich trat also vor den Altar meiner Wahl. Sprach die Worte. Erntete einen missbilligenden Blick und dennoch war mir Erfolg beschieden. Ich beendete das Ritual mit einer symbolischen Kniebeuge, besiegelte meine Handlungen mit dem rituellen Getränk und verliess den Tempel, nicht ohne einen Blick zurück zu werfen.

Wie konnte ich je Zweifel hegen? Das hier verkörperte die machtvolle Religion unserer Zeit: der Glaube an die Macht der Kaufkraft, die unheilige kapitalistische Gier und die allumfassende ewige Macht der Werbung.
What else?

Donnerstag, 18. Juni 2009

unerhört

"Was liest Du gerade so?" fragte ein sozialpädagogisch geschulter Mensch kürzlich den Bären.

"Der weisse Neger Wumbaba.", antwortete der Bär.

Der Sozialpädagoge zuckte heftig zusammen.

Sonntag, 7. Juni 2009

talktalk

Gerne würde auch ich interessant und klug reden können. Aber leider ist es so, dass ich nicht nur keine Rednerin, sondern nicht einmal eine Plauderin bin. Artig machen sich die Worte in meinem Kopf bereit, formieren sich zu Gedanken, Sätzen, Schlussfolgerungen – nur um dann kreuz und quer durcheinanderzupurzeln, wenn es darum geht, übers Sprachzentrum via Stimmbänder den Weg in die Aussenwelt zu finden. Ich verheddere mich in den Sätzen, verstricke mich in den Schlussfolgerungen und stolpere über jedes dritte Wort.
Ich will von einem Buch erzählen – und vergesse nicht nur Titel und Autor exakt in dem Moment, in dem ich ihn aussprechen will, sondern auch gleich wichtige Teile der Handlung. Ein Film? Zwar kann ich mich an Bruchstücke erinnern – aber: warum habe ich das jetzt gleich nochmal erzählt? Und Anekdoten aus meinem Alltag finde ich, kaum nehmen sie im Gespräch Gestalt an, für mich selber zwar durchaus bedeutungsvoll, aber für andere zweifellos so abgrundtief langweilig, dass ich sie innerlich gähnen sehe und mein Gegenüber starre Gesichtszüge kriegt vor Ungeduld.
Das kleine Glück ist zu banal zum Erzählen und wenn das grosse Glück im kleinen eingebettet ist, kann man das einfach nicht in Worte fassen.
Nicht, dass ich mich langweilen würde, wenn andere darüber erzählen. Blumen im Garten. Bereichernde Begegnungen. Einfache Dinge, die leuchten im Alltag. Stundenlang könnte ich zuhören. Aber wie schildere ich selber diese überhellen Lichtstrahlen? Das Lachen des kleinen Wolfes, wenn er etwas erzählt. Der Bär, wie er auf dem neuen Trampolin springt und glücklich aussieht. Ein Satz in einem Buch, der im Gehirn Musik und Bilder gleichzeitig generiert. Lilien, Glyzinen, Pfingstrosen im Garten. Der Liebste, der einfach da ist. Zusammensein mit Menschen, die einem wichtig sind.
Nichts, was man einfach so erzählen kann.

und übrigens:

"Heute ist immer die Rede von Dingen, die wir noch nicht haben, während man von Dingen, die wir haben, überhaupt nicht mehr spricht. In so einem merkwürdigen Land lebe ich."

der chinesische Schriftsteller Yu Hua in der online-Zeit

thatslife

"Du bist eine Spassverderberin", knurrt der kleine Wolf. Weil er duschen muss.

Freitag, 5. Juni 2009

heute günstig: betroffenheit

Es ist doch recht praktisch und so zeitsparend. Heutzutage kann man auch seine moralische Entrüstung, sein tägliches Quantum Betroffenheit oder das Portiönchen Anteilnahme an den Schicksalen der weniger Glücklichen und Zufriedenen auf unserer Welt einfach und mit wenigen Klicks erledigen. Man trägt sich auf facebook als Mitglied der "Mütter von Tiananmen" ein, kopiert weise Sprüche, am liebsten auf chinesisch, oder spendet online für Waisen aus Biafra, indem man auf ein buntes Banner klickt.
Solcherlei Gesinnungsbekundungen haben zudem den Vorteil, dass man nicht nur einfach so im Stillen und völlig unbeachtet Edles denkt, sondern auch seine in wenigen Monaten zusammengenetzten 87654 facebook- oder Blog-Freunde darüber in Kennnis setzt.
Persönlichkeitswerbewirksam sozusagen.
Das wohlgefällige und in möglichst bunten Farben changierende Bild einer interessanten, facettenreichen, gebildeten, interessierten, vielseitigen und achweissnichtwie wunderbaren Persönlichkeit will schliesslich unaufhörlich neu gestaltet und an die Bedürfnisse eines ebenso interessanten, facettenreichen, gebildeten, interessierten, vielseitigen und ochweissnichtwie wunderbaren Umfeldes angepasst werden.
Betroffenheit gehört da unbedingt mit drauf.

Donnerstag, 4. Juni 2009

sad truth

Truth and Lie

Truth and Lie went to the river for a bath. . .
Lie went out of the water first and stole Truth's clothes, Lie refused to return it to Truth.
The stubborn Truth will not put on Lie's clothes no matter what, so he walked home naked. . .
From then on,
People only see Lie wearing Truth's clothes,
and they can never accept the naked Truth.



gefunden bei: facebook-Gruppe "Tiananmen-Mothers" zum Gedenken an das Massaker auf dem Tiananmen-Platz am 4. Juli vor 20 Jahren.

Mittwoch, 3. Juni 2009

cäsars' haircut

"Und - was machst Du jetzt morgen beim Gwafför?", frage ich den Bären beim Gutenachtgespräch.

"Einen Kaiserschnitt", sagt er.

Dienstag, 2. Juni 2009

so isses

the one and only Totemügerli

Wolf und Bär können es beinahe auswendig.

Und: dieser Bart!

Montag, 1. Juni 2009

wer issn das?

"Der Schnulleredmund und der Holunderstaudenpascal marschierten einst spät am Abend, als
schon der alte Birkhahn durch das Schatteggmos rief, über die Wiese des alten Batzmeiers in
Richtung des kleinen Weilers Erpfenwil.(..)"



Na?


gelesen:


Michael Robotham
Sag, es tut dir leid


Simone Buchholz
Bullenpeitsche


John Williams
Stoner


Stephen King
Doctor Sleep


Paul Auster
Winter Journal

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Das CHAMÄLEON wechselt natürlich ständig die Farbe. Es läuft öfters rot an vor Wut wenn es wieder einmal an allem schuld sein soll, wird höchstens gelb vor Neid wenn es Reiseberichten anderer Leute zuhört oder ist ab und zu blau, weil es immer mal wieder die Luft anhalten soll. Der KLEINE BÄR ist mittlerweile gar nicht mehr sooo klein und muss derzeit hauptsächlich mit List und allerlei Tücke von seinem Nintendo Wii weg und zu den übrigen Freuden des Lebens hingeführt werden. Er verbringt gerne viel Zeit in seiner kuschligen Bärenhöhle und hält Schule für eine schlimme Verschwendung seiner Zeit. Der Bär ist von sanftem Charakter, aber ausserdordentlich eigensinnig. Und manchmal brummt er gehörig. Der KLEINE WOLF ist für jede Aktivität zu haben - ausser manchmal für Geschirrspülmaschine ausräumen. Er legt gerne weite Strecken zurück, auch in Wander- oder Schlittschuhen - und jagt unermüdlich nach süssem Naschwerk. Ab und zu knurrt er grimmig, heult wild und zeigt die Zähne. Macht aber gar nichts. Der LIEBSTE schliesslich ist eben einfach der Liebste. Meistens jedenfalls. Ferner wären da noch das überaus treue SCHLECHTE GEWISSEN. Und natürlich ERNST...

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